Kinderdörfer

Kinderdörfer
Kinderdörfer,
 
Siedlungen zur langfristigen Betreuung von Kindern und Jugendlichen außerhalb ihrer Herkunftsfamilien; die Aufnahme erfolgt im Kindesalter (bei Geschwistern auch darüber hinaus) in familienähnlichen Gemeinschaften (4-6 Kinder in Europa, zum Teil auch bis 12 Kinder für eine Kinderdorfmutter), die jeweils ein Haus bewohnen. Jugendliche werden in Jugendwohngemeinschaften und Wohngruppen aufgenommen, die keine familienähnlichen Hausgemeinschaften einrichten und ihren Schwerpunkt auf Schule und Ausbildung legen. Kinderdorfbewohner bleiben in der Regel bis zur Verselbstständigung in der Familie. Ihre eigentliche Ausformung fand die Kinderdorfidee nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Versorgung der Kriegswaisen und Flüchtlingskinder zum Problem wurde. 1945 erließ der Schweizer Walter Robert Corti (* 1910) einen Aufruf »zur Errettung der unschuldig vom Kriege betroffenen Kinder«. Es entstand die »Vereinigung Kinderdorf Pestalozzi«, 1946 wurde das Pestalozzi-Kinderdorf in Trogen für Kinder aller Nationalitäten eröffnet, 1947 in Wahlwies (heute zu Stockach) das erste Pestalozzi-Kinderdorf erbaut (der Deutsche Caritasverband e. V. hatte bereits 1946 das Kinderdorf »Klinge« in Seckach, Neckar-Odenwald-Kreis, gegründet). 1948 erfolgte in Paris die Gründung des Dachverbandes der Kinderdörfer, die »Fédération Internationale des Communautés d'Enfants« (FICE).
 
Bedeutendste Organisation ist der von H. Gmeiner 1949 ins Leben gerufene Verein SOS-Kinderdorf (SOS Abkürzung für Societas Socialis). Das erste SOS-Kinderdorf wurde 1949 in Imst in Tirol gegründet, das erste deutsche SOS-Kinderdorf 1957 in Dießen am Ammersee eröffnet. Der SOS-Kinderdorf e. V. in Deutschland unterhält vierzehn Kinderdörfer, 15 Jugendeinrichtungen mit 24 angeschlossenen Projekten, 14 Beratungszentren und drei SOS-Dorfgemeinschaften für geistig und seelisch behinderte Menschen sowie drei Werkstätten für Behinderte. Daneben finanziert er 115 Kinderdörfereinrichtungen in 44 Ländern Afrikas, Amerikas und Asiens. Fördervereine bestehen auch in Skandinavien, in der Schweiz, den Niederlanden, Luxemburg, Frankreich und den USA. Insgesamt gibt es 1 346 Einrichtungen verschiedener Art in 131 Ländern. Frauen, die sich als Kinderdorfmütter verpflichten, erhalten heute in Deutschland und Österreich nach einem praktischen Jahr als Familienhelferin eine einjährige pädagogisch-psychologische Schulung. Aufnahme finden Waisen und Sozialwaisen aus zerrütteten Familienverhältnissen; in der Dritten Welt nehmen die Kinderdörfer auf der Straße lebende verlassene Kinder auf. Der pädagogische Grundgedanke ist es, den Kindern den Aufbau einer emotional stabilen Beziehung zu einer erwachsenen Bezugsperson und die Einordnung in den Kreis von Geschwistern zu ermöglichen. Die v. a. auf Gmeiners Idee beruhende familienähnliche Struktur der Kinderdörfer hat sich gegenüber der traditionellen Heimerziehung als sehr tragfähig erwiesen.
 
Weitere Organisationen sind u. a. die Albert-Schweitzer-Kinderdörfer, die mit Unterstützung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands entstanden, und die Kinderdörfer (1955 ff.) des Vereins Kind und Familie e. V., kooperatives Mitglied des Deutschen Caritasverbands e. V. Es besteht eine Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kinderdörfer. - Der SOS-Kinderdorf Verein in Österreich (Innsbruck) unterhält u. a. neun Kinderdörfer, elf SOS-Jugendwohngemeinschaften sowie ein Jugendhilfszentrum. Daneben gibt es die Pro-Juventute-Kinderdorfvereinigung (Salzburg) und die Gesellschaft österreichischer Kinderdörfer (Wien). - In der Schweiz werden die Kinderdörfer von der schweizerischen Stiftung Pro Juventute getragen.
 
 
H. Reinprecht: Abenteuer Nächstenliebe. Die Gesch. Hermann Gmeiners u. der SOS-K. (Wien 1984);
 S. Klostermann: Bethanien - Bauwerk u. gelebtes Wort (1993).

Universal-Lexikon. 2012.

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